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52-2020 Aktuell Obwalden

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AKTUELL PERSÖNLICH Wie

AKTUELL PERSÖNLICH Wie ein Fels in der Brandung «Corona-SchockinObwaldner Altersheim: 66 Infizierte und6Tote!» So titelte eine Schweizer Boulevardzeitungvor einem Monat. Mittendrin in diesemSturm: Schärme-Direktor Roman Wüst. Vor einigen Tagen erschien in einer Ostschweizer Zeitung eine Todesanzeige, die lokal für Aufsehen sorgte. Die Angehörigen schrieben darin, die 91-jährige Verstorbene sei im Altersheim «nicht an Corona, sondern an den Folgen der sehr streng ausgelegten Coronamassnahmen» gestorben. Solche Äusserungen sind Wasser auf die Mühlen von Menschen, die sich gegen strengere Corona-Massnahmen auflehnen. Und auf deranderen Seite hörtman ständig die Rufe, wonach alles noch viel zu locker sei; wonach die Kontakte zwischen Menschen noch viel stärker eingeschränkt werden müssen. «All diese verschiedenen Informationen und Forderungen werfen letztlich ein eher diffuses Licht auf die Pandemie», sagt Roman Wüst. «Unsere Aufgabe –und auch eine grosse Herausforderung –war und ist es vor allem, einen Mittelweg zu finden, der für uns stimmt.» Plötzlich schweizweit im Rampenlicht Mit seinen 62 Jahren und seiner langen Führungserfahrung hat Roman Wüst, der mit seiner Frau in Wilen wohnt und die Altersresidenz «Am Schärme» seit 2012 leitet, schon so einige hohe Wellengänge erlebt und Klippen umschiffen müssen. In den vergangenen Wochen aber wurde seine Navigationsfähigkeit auf eine harte Probe gestellt. Nachdem der Schärme monatelang weitgehend vonder Pandemie verschont geblieben war, brach Mitte November im Haus 2, wo Pflegebedürftige und Demenzbetroffene in Wohngruppen leben, das Virus aus. Daraufhin entschied die Schärme-Leitung nach Rücksprache mit dem Kantonsarzt, alle 66 Bewohnerinnen und Bewohner im Haus 2 zu testen, einige Tage später auch die Mitarbeitenden. Und so schossen die Fallzahlen hoch. Innerhalb weniger Tage hatte man mehrereTodesfälle zu beklagen. «Wirhatten bereits im Frühling entschieden, dass wir auf unserer Webseite aktuell und transparent informieren», sagt Wüst.Die Schattenseite der Transparenz: Die Medien erfuhren vom Ausbruch. Mit Reporter und Filmteam fuhr etwa der «Blick» nachSarnen. Roman Wüst stand Red und Antwort. «Es war eine spezielle Erfahrung», sagt er rückblickend. Inzwischen haben externe Fachleute dem Schärme attestiert, dass die Altersresidenz die verordneten Massnahmen und Vorschriften stets korrekt umgesetzt hat. Aber einen 100-prozentigen Schutzgibt es nun mal nicht, sofern man die Bewohnerinnen und Bewohner nicht völligisoliert–unddas über Monate. Grosser Dank ans Personal Damit die über 180 Schärme-Mitarbeitenden –viele davon Teilzeit –stets auf dem Laufenden sind, welche Regeln im Haus gelten, finden sie täglich imIntranet aktuelle Informationen. Ihnen gilt auch Roman Wüsts Dank: «Was hier vom Personal ge-

Roman Wüst (62) leitet seit acht Jahren die Residenz «Am Schärme» in Sarnen. Bild: ve leistet wird, ist grossartig.» Auf der Schärme-Website werden nach wie vor täglich die Fallzahlen aktualisiert. Derzeit (Stand Dienstagmittag) sind keine Fälle verzeichnet. Was Roman Wüst nicht möchte: die Anzahl der Verstorbenen publizieren. «Für mich ginge das in Richtung Schaulustigkeit», sagt er. Zu verheimlichen aber hat er nichts, und wer die Zahlen wissen möchte, dem gibt der Schärme-Direktor gerne Auskunft. Aber Todesfälle beinah wie steigende und fallende Aktienkurse auf der Website zu veröffentlichen –das ginge ihm zuweit. Kommt hinzu, dass in einer Altersresidenz mit rund 140 Bewohnern mehrere Todesfälle pro Monat nicht eine Ausnahme sind. Auch die Psyche schützt Welcher Weg denn nun genau der richtige ist, um in einem Altersheim mit dem Virus umzugehen, weiss auch Roman Wüst nicht. Eine totale Isolation von positiv getesteten Bewohnern sei aber weder machbar, noch ethisch verantwortbar. «Der Schärme soll nicht zu einem Gefängnis werden.» Dieser Meinung sei übrigens auch die grosse Mehrheit derBewohnerinnen und Bewohner.Eine Bewohnerin habe ihnkürzlich gefragt: «Was habe ich denn noch vomLeben, wenn ich allein auf den Abend warten muss?» Roman Wüst ist ohnehin überzeugt, dass ein gesundes Immunsystem eine starkeWaffe gegenViren ist. Unddass Verunsicherung, Angst und Einsamkeit das Immunsystem schwächen. Damit man ihn nicht falsch versteht: Die strikten Regeln im Schärme, die Maskenpflicht für Mitarbeiterinnen und Besucher, die ständigen Desinfektionen –all dies ist wichtig, um das Virus in Schach und die Kurve flach zu halten. Nicht vergessen aber sollte man, dass auch eine liebevolle Berührung, ein Lächeln, ein Spaziergang an der Sonne, ein kleines Zeichen der Verbundenheit und Zuneigung–dass all dies für ältereMenschen eben nicht nur Gefahren birgt, sondernauch Schutz bedeuten kann. (ve)

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