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51-2020 Aktuell Obwalden

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AKTUELL PERSÖNLICH

AKTUELL PERSÖNLICH Keine Ruhe, bitte! Silvia Windlin unterrichtete 43 Jahrelang in Kerns. Nun ist die Lehrerin pensioniert, kann daheim aufs Kanapee sitzen und die Stille geniessen. Wenn es doch nur so einfachwäre. Sie erinnert sich daran, als wäre esgestern gewesen: Als junge Frau –bald ein halbes Jahrhundert ist es her – besuchte Silvia Windlin das Lehrerinnenseminar in Luzern. Im Gesangsunterricht sollte jemand aus der Klasse die Leitung des Chors übernehmen. Niemand meldete sich freiwillig. Die Lehrerin appellierte an die jungen Frauen: Die Leitung eines Chors sei eine wichtige Aufgabe für angehende Lehrkräfte –gute Dirigenten seien immer gefragt in den Dörfern. Für Silvia Windlin war indes klar: «Ich werde ganz sicher nie einen Chor leiten!» AusAblehnung wurdeewigeLiebe Welch einGlück,dasssie sich nicht an ihren Vorsatz hielt. Acht Chöre hat sie inden vergangenen Jahrzehnten dirigiert, zwei noch immer. Viel Ruhm und Ehre gabs für ihr Engagementbeim Jodlerklub Wiesenberg, als dieser mit Hits wie «Ewigi Liäbi» und «Feyr vo drSehnsucht» schweizweit im Rampenlicht stand. 30Jahre lang, bis 2017, hat sie diesen Chor geleitet. Doch Ruhm, Ehre, Rampenlicht –das waren nie Ziele, denen SilviaWindlin nachjagte. Auch wenn sie das Zeug dazu hätte: Diese unscheinbare, zierliche Frau ist voller Energie und Tatendrang. Fast ginge vergessen, dass die Kernserin die Chöre –neben vielen weiteren Engagements in Vereinenund Politik–in ihrer Freizeit leitete und als alleinerziehende Mutter zwei Söhne grosszog. 43 Jahre lang wirkte sie als Lehrerin in Obwalden: Der Start war 1977 im Melchtal, das Ende vor einem halben Jahr inKerns. Und dieses Ende –das gibt die bald 65-Jährige unumwunden zu –machte ihr mehr zu schaffen, als sie geglaubt hatte. Während angehendeLehrer schlaflose Nächte haben, bevor sie zum ersten Mal vor einer Schulklasse stehen, hatte Silvia Windlin schlaflose Nächte, wenn sie daran dachte, bald nicht mehr vor einer Schulklasse stehen zu können. «Drei schlaflose Nächte waren es», erzählt sie.Und nach diesen drei Nächten tat sie das, was eben typisch ist für die eigenwillige Kernserin: Sie raffte sich auf, wischte sich die Wehmut von den Schultern und schickte sichan, denneuen Lebensabschnitt mit Willenskraft und Würdezubegrüssen. «Ich will den Schwung nutzen» Vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hat: Wer das mit Silvia Windlin versucht, stösst schnell mal auf Granit. Vielleicht würde ihre Eigenwilligkeit heute anders ausgelegt und in ihrem Schulzeugnis stünde die Bemerkung «renitent» –hätte sie nicht dieses feine Gespür dafür, welche Grenzen überschritten werden dürfen und welche nicht. Ohne Zweifel ist dieses Gespür, ihre Hartnäckigkeit gepaart mit Güte und Wohlwollen,ein Hauptgrunddafür, dasssich Hunderte ehemalige Schülerinnen und Schüler gernandie LehrerinFrauWindlin erinnern.

Silvia Windlin hilft Kindern beim Erledigen der Hausaufgaben. Bild: ve Doch Silvia Windlin will noch nicht, dass man sich lediglich an sie erinnert. Sie will präsent bleiben. «Ich habe noch Schwung, und diesen Schwung will ich nutzen, um Gutes zu bewirken.» Ein Engagement begann bereits vorzwei Jahren, als das Schicksal bei einer Bauernfamilie in Kerns hart zuschlug. Unerwartet rasch starb der Vater dieser Familie –sein Tod riss nicht nur eine tiefe Wunde in die Herzen seiner Liebsten, sondern auch in den täglichen Hofbetrieb. Für Silvia Windlin, die auf einem benachbarten Bauernhof aufgewachsen war, stand fest: Der Mutter und den drei Kindern muss geholfen werden. Doch wie? «Ich kann ja nicht einfach mit einem Traktor und einem Fuder Heu auf die Strecke.» Und so bot sie der Mutter an, sich nach der Schule um die drei Kinder zu kümmern und die Hausaufgaben mit ihnen zu erledigen, bevor esabends in den Stall geht. Bis heute betreut sie regelmässig die drei aufgeweckten Bauernkinder. Neues Terrain sind solche selbst auferlegten Engagements für sie nicht. Nachhilfe, Einzelförderung, Motivation statt Bestrafung: Die Kernserin packte schon immer gern Aufgaben und Themen an, bevor diese in Schulleitbildern und Gesetzen festgeschrieben und reglementiertwurden. Und was kommt nun? «Ich werde ganz sicher nie einen Chor leiten», sagte Silvia Windlin vor Jahrzehnten. Und heute sagt sie: «Ich werde ganz sicher nicht aufs Kanapee sitzen und meine Krampfadern zählen.» An den ersten Vorsatz hatte sie sich nicht gehalten. Hält sie sich an den zweiten? Das bleibt ihr und all den Menschen um sieherumvon Herzen zu wünschen. (ve)

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