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46-2020 Aktuell Obwalden

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AKTUELL IM BILDARCHIV

AKTUELL IM BILDARCHIV Fröhliches Zusammensein? Nichtganz... Auf den ersten Blick scheint alles in bester Stimmung: 14 Herren stehen da gemeinsam im Titlis-Bähnli und lächeln in die Kamera. Ein Firmenausflug? Geschäftsmänner zu Besuch im Klosterdorf? Nichts davon! Wie den Informationen zum Bild aus dem Staatsarchiv zu entnehmen ist, handelt es sich um ein Treffen der Obwaldner Regierung mit Vertretern der Gemeinde Engelberg und der Bergbahnen. Zum Treffen kam es im November 1974 – und spätestens bei dieser Information dürften ältereSemester langsam ahnen, was es mit diesem Bild auf sich haben könnte. Von einer entspannten Stimmung kann nämlich keine Rede sein –zumindest was die Geschehnisse vor dieser Bahnfahrt angeht. Um es etwas salopp auszudrücken: Viele Engelberger hatten damals die Schnauze gestrichen voll und wollten lieber zu Nidwalden gehören statt zu Obwalden. Doch rollen wir die Geschichte von hinten auf. Wir schreiben das Jahr 1973.Am29. April trifft sich das Obwaldner Stimmvolk auf dem Vorplatz der Militärunterkunft Sarnen zur Landsgemeinde. Es war die erste Landsgemeinde mit Frauenbeteiligung. Ein halbes Jahr zuvor hatten die Obwaldner Ja gesagt zum kantonalen Frauenstimmrecht. Weil damit doppelt so viele Leute an der Landsgemeinde stimmberechtigt waren, reichte der Platzauf dem Landenbergnicht mehr. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb die Landsgemeinde von 1973 in spezieller Erinnerung bleibt. Gleich vier neue Männer waren in die Regierung zu wählen. Sieben Kandidaten stellten sich zur Wahl. Einer davon war der Engelberger Hotelier und CVP-Mann Alfred Amstutz. Er trat an, obwohl ihn die Kantonalpartei nicht nominiert hatte. Im Klosterdorf war man klar der Meinung, dass ein Vertreter aus Engelberg

Bild: Treffen Regierungsrat mit Vertretern der Titlis-Bergbahnen und der Gemeinde Engelberg (von links): Landweibel Robert Halter, Landammann Willy Hophan, Regierungsrat Beat Amgarten, Landstatthalter Herrmann Wallimann, Gemeinderat Paul Hess, alt Regierungsrat Eduard Infanger, Titlis-Gerant Anton Meschenmoser, Regierungsrat Hans-Heini Gasser, Verwaltungsratspräsident Adolf Odermatt, Präsident des Kur- und Verkehrsvereins Norbert Cattani, Regierungsrat Anton Ettlin, Regierungsrat Alfred vonAh, Talammann Walter Burger,Kanzleisekretär Hans Bucher. Datierung: November 1974 Fotograf: Kurt Alder,Engelberg Staatsarchiv-Signatur: D.03.0040.04.03 in die Regierung gehört. Doch das Stimmvolk an der Landsgemeinde sah dies anders: Amstutz wurde nicht gewählt –und viele Engelberger waren verärgert. Engelberger erzürnt überAussagen Bereits im Vorfeld der Landsgemeinde war es zu Spannungen gekommen. An einem Podiumsgespräch im Metzgern-Saal in Sarnen unter dem Titel «Regierungsratskandidaten im Kreuzfeuer» – ohne Beteiligung des nicht nominierten Amstutz –kam die finanzielle Situation in Engelberg zur Sprache. Offenbar fielen dabei einige abfällige Bemerkungen zur Finanzpolitik im Klosterdorf. Ein Leserbriefschreiber machte danach im «Obwaldner Volksfreund» deutlich, dass solche Aussagen «etwelche Verstimmungen» in Engelberg hervorgerufen hätten. «Man hat hier den Eindruck, dass es kaum verfehlt wäre, wenn gewisse Politiker im alten Kantonsteil ihre Haltung gegenüber Engelberg gelegentlich überprüfen würden.» Endgültig entlud sich der Frust an der Talgemeinde vom4.Mai 1973, wenige Tage nach der Landsgemeinde. Plötzlich wurde doch tatsächlich die Abspaltung von Obwalden und der Anschluss an Nidwalden gefordert. «Als Stimmungsmacher spielte dabei Anton Meschenmoser, Gerant bei den Titlis-Bahnen, eine zentrale Rolle», sagt der Historiker und pensionierte Kantonsschullehrer Ernst Weber. «Nebst der Nichtwahl von Alfred Amstutz in den Regierungsrat war dabei der Vorwurf, die Regierung würde Engelberg zu wenig Beachtung schenken, der zentrale Auslöser.» Schwebezustand als Druckmittel? Die «Sezessionsgelüste» der Engelberger blieben über längere Zeit bestehen. Einem Gemeinderatsprotokoll von Ende Oktober 1974 ist zu entnehmen, dass verschiedene Engelberger Gemeinderäte diesen «Schwebezustand» zwischen Abspaltung und Verbleib begrüssten und hofften, «dass durch politisches, geschicktes Verhalten versucht werden soll, dass Engelberg von der Obwaldner Regierung ernst genommen und akzeptiert wird und die Obwaldner Bevölkerung im alten Kantonsteil der Gemeinde Engelberg imVerlauf der Zeit den nötigen Respekt entgegenbringen kann». Und mit diesem metaphorischen Schwebezustand schliesst sich der Kreis zum tatsächlichen Schwebezustand imBähnli und zum historischen Bild: Obwohl der gemeinsame Ausflug gemäss Auskunft des damaligen Landschreibers Urs Wallimann keinen offiziellen Charakter hatte, dürfte es sich hier um einen informellen Versuch handeln, die Wogen zu glätten.Auch Ernst Weber sagt dazu: «Das Bild täuscht über die Tatsache hinweg, dass im November 1974 die Spannungen keineswegs beigelegt waren. Der gemeinsame Ausflug weist auf dasBemühen um eine einvernehmliche Lösung hin.» Gemäss Ernst Weber kam der Regierungsratder Gemeinde Engelberg inden folgenden Jahren in einzelnen Fragen entgegen. «Der Konflikt verlief dann tatsächlich im Sand, ohne je offiziell beendet zu werden.» (ve)

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