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44-2021 Aktuell Obwalden

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AKTUELL IM ARCHIV Bier,

AKTUELL IM ARCHIV Bier, Beatmusikund verbotene Brüste Am 21. Juli 1969 betrat der erste Mensch den Mond. Die Begeisterung war riesig. Zehn Tage zuvor betrat der erste Hippiedas «Down Down» in Sachseln. DieBegeisterung hielt sich in Grenzen. Dann ging diePostab. Jüngere Semester glauben vielleicht, dass vor einem halben Jahrhundert in Obwalden tote Hose herrschte, was Spass und Partys angeht. Doch sie täuschen sich gewaltig. In der Diskothek «Down Down» in Sachseln ging die Post ab. Eröffnet wurde sie am 11. Juli 1969, also zehn Tage vor der Mondlandung und fünf Wochen vor dem Woodstock-Festival. Welches dieser drei Ereignisse den wichtigsten Platz in der Weltgeschichte einnimmt, ist diskutabel, auch wenn sämtliche von uns angefragten Historiker der Meinung sind, die Eröffnung des «Down Down» belege kaum den ersten Platz. So oder so aber lohnt sich ein Blick zurück auf diese legendäreDiskothek. Als Klaus Zumstein (1921-2002) im Jahr 1968 das Hotel Belvoir in Sachseln kaufte, hätte er kaum gedacht, dass der Keller, den er zu einerDiscoumbauenliess, einesTages zu einem derangesagtesten Treffpunkte der Zentralschweiz werden würde. Geahnt hat er es vielleicht bei derEröffnung des Lokals: Was als Kunstvernissage gedacht war, entwickelte sich zu einer Hippie-Party –die Organisatoren entschuldigten sich daraufhin im Obwaldner Volksfreund für diese «missglückte Vernissage», die voneinem «Haufen sogenannter Blumenkinder» und von «auswärtigem Jungvolk» gestört worden war. Dabei war es nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen würde: Inden folgenden zwei Jahrzehnten war das «Down Down» ein Renner unter den Nachtschwärmern, und zwar nicht nur beim «auswärtigen Jungvolk», sondern auch bei Einheimischen. «Viele Gäste reisten von Luzern und Nidwalden an –einige mit dem Auto, andere mit dem Töffli», erinnert sich Mike Zumstein (Bild), der als junger Mann oft im «Belvoir» und «Down Down» arbeitete und den Betrieb 1988 von seinem Vater übernahm. Im braven Obwalden blickte man anfangsauch mit etwas Stirnrunzeln auf die Disco. «Die Polizei verlangte, dass wir ihr einen Schlüssel zum Lokal geben», erinnert sich der 69-Jährige lachend. Obdas rechtlich überhaupt in Ordnung war, ist ihm bis heute einRätsel. «Aber sie wollten jederzeit Zutritt. Also gaben wir ihnenhalteinenSchlüssel.» «Unsittliche Veranstaltungen» Tatsächlich musste sich die Polizei 1977 mit dem «Down Down» befassen. Grund waren Tänzerinnen, die bereits zwei Mal in der Disco «oben ohne» aufgetreten waren. Vor dem dritten Auftritt setzte die Polizeidi-

ektion dem Treiben ein Ende und verweigerte den drei Frauen die fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilligung. Vergeblich erhob Klaus Zumstein Beschwerde. Das Justizdepartement hielt laut Akten im Staatsarchiv fest, dass solch «exhibitionistische, unsittliche Veranstaltungen» das Schamgefühl der einheimischen Bevölkerung verletzten. Man weise ZumsteinsBeschwerde ab, ungeachtet der Gefahr, dadurch «als rückständig, hinterwäldlerisch und prüde zu gelten». Und weiter: «Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass das Down Down nicht eigentlich ein Nachtlokal Erwachsener, sondern zur überwiegenden Mehrheit ein Tanzlokal Jugendlicher ist. Auch von künstlerischem Wert der Darbietungen kann bei solchen Gogo-Partys nicht gesprochen werden.» Und so hiess es rasch Bye-bye an die Adresse der Go-go-Girls. Das «Down» –so wurde die Disco abgekürzt von Stammgästen genannt –hatte es ohnehin nicht nötig, sich mit fremden Federn bzw. Brüsten zu schmücken. «Das Lokal lief wie wahnsinnig», sagt Zumstein. Dass das Hotel Belvoir später renoviert und ausgebaut werden konnte, sei zu einem grossen Teil den Einnahmen aus der Disco zu verdanken gewesen. Der Eintritt am Wochenende kostete einen Fünfliber, ein Fläschchen Pony gabʼs für 3Franken. «Der Offenausschank von Bier wäre undenkbar gewesen», sagt Mike Zumstein. «Es ging viel zu wild her.» Zudem sei eine Flasche schneller serviertals eine Stange. Und schnell musste es tatsächlich gehen: An einem guten Abend drängten sich bis zu 350 Personen in diesem Keller. Pumpenvoll war dann nicht nur das «Down», sondern natürlich auch der eine oder andere Gast. Das wiederum rief die Polizei auf den Plan, die an derBrünigstrasse beim Belvoir regelmässig Verkehrskontrollen machte. Auch die Betreiber mussten für Ruhe und Ordnung sorgen. «An den Wochenenden enga- Das «Down» war vieles. Nuretwas nicht:langweilig. (Archiv Pete Schmid)

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