Aufrufe
vor 2 Jahren

38-2021 Aktuell Obwalden

  • Text
  • Wwwaktuellcom
  • September
  • Alpnach
  • Gemeinde
  • Obwaldner
  • Stellen
  • Oktober
  • Obwalden
  • Telefon
  • Sachseln
  • Sarnen
Aktuell Obwalden Gratis jede Woche in alle Haushaltungen von Obwalden. Immobilien, Veranstaltungen und Stellenmarkt.

Lagerung vonAtommüll in

Lagerung vonAtommüll in den 1970er-Jahren in einem Bergwerk in Niedersachsen. (Aus der Broschüre: Zur Sicherheit der Endlagerung radioaktiver Abfälle im Salzbergwerk Asse, Verlag Neuherberg, 1975. Staatsarchiv Obwalden.) maschinen seien nach ihrer Erfindung auch verteufelt worden, bevor sie sich als Segen und Schritt in die Zukunft erwiesen. Einen Seitenhieb auf Kantonsrat Caspar Diethelm konnte sich Röthlin im Bundesparlament nicht verkneifen: Dieser Mann schüre inObwalden «derartige Emotionen», dass sachliche Argumente kein Gehör mehr finden. Diethelm wiederum liess sich nicht beirren in seinem Kampf gegen ein Atommülllager Glaubenbielen. Im Obwaldner Staatsarchiv finden sich Dutzende Unterschriftenbögen als Petition gegen die Deponie. Auch aus dem Ausland erreichten die Obwaldner RegierungBriefe,indenen sie dezidiertgewarnt wird, ein Atommülllager zu ermöglichen. Dilliers «Betruf» erhitzte die Gemüter Die Gegner einer Atommülldeponie hatten zudem einen prominenten Mitstreiter: Der Obwaldner Mundartautor und Radiomann Julian Dillier (1922-2001) setzte sich vonseiner Wahlheimat Basel aus zur Wehr. Typisch für ihn griff er zu seiner schärfsten Waffe: dem Vers. Diesallerdings brachte ihm das ein, was man heute neudeutsch wohl als «Shitstorm» bezeichnen würde. Dillier publizierte nämlich in der Satirezeitschrift «Nebelspalter» Schmähversegegendie Nagraund verpackte seine Worteindie Form eines Obwaldner Betrufs. Das war offenbar selbst für einige hartgesottene Atommüll-Gegner des Guten zu viel. DerGrundtenor in Obwaldens katholischkonservativen Kreisen: Satire hin oder her, aber den Betruf verhunzt man nicht mit politischen Parolen. Regierungsrat Beat Amgarten sprach von einem «unfairen Angriff» und einem «Missbrauch des Betrufs». Kantonsbibliothekarin Zita Wirz meinte gegenüber der Presse: «Der Betruf ist einfach ein Tabu.» Und Kollegi-Rektor Pater Leo Ettlin warnte vor der Versuchung, «mit Religion Politik zu machen». Vereinzelt erhielt Dillier auch Zuspruch. Der 2017 verstorbene Sarner KunstschmiedBruno «Bäsi» Imfeld etwa schrieb in einemLeserbrief an den«Nebelspalter», dass ihn Dilliers Gedicht «ganz besonders gefreut» habe. Auch der Kämpfer an der vordersten Front, Caspar Diethelm, nahm Julian Dillier in einem Artikel in der Zeitung «Luzerner Neuste Nachrichten» in Schutz: «Ein Künstler soll seiner Empörung mit eigenen und auch provokativen Mitteln Ausdruck geben können.» In Obwalden war es kein Geheimnis, dass Julian Dillier –erstand vor seinem Wegzug nach Basel lange in Diensten der kantonalen Verwaltung –mit der hohen Regierung und konservativen Kräften seine Mühe hatte. Sein Unmut galt auch dem damaligen Ständerat JostDillier.Die beiden Männer konnten sich nicht ausstehen, wie aus verschiedenen Dokumenten im Staatsarchiv hervorgeht. Dennoch: Julian Dillier dürfte rasch gemerkt haben –soferneresnicht schon zuvor

geahnt hatte –, dass er mit dem «Betruf 1976» für viele Obwaldner eine rote Linie überschritten hatte. In einem längeren Artikel im Obwaldner Volksfreund nahm er Stellung zu den vielen «besorgten und entrüsteten Zuschriften», die er erhalten hatte. Doch zu Kreuze kroch er nicht – dafür war ihm sein Anliegen zu wichtig. «Wer aus einem solchen Gedicht Ironie und Lächerlichmachung des Betrufes heraushört, der hört mir falsch zu», schrieb Dillier.Keine Entgleisung habe er sich leisten, sondern einen «Schrei der Empörung» ausstossen wollen. «Eigene Worte sind nicht hinreichend. Empörung, Kummer, Angst und Sorgen lassen sich ob solcher drohenden Gefahren nicht mehr mit einem Naturjodel wegjodeln.» Glaubenbielen längst kein Thema mehr Und was geschah schliesslich mit Glaubenbielen? Von «Erleichterung auf Aufatmen» war im November 1978 in der Presse die Rede. Der Obwaldner Baudirektor Hans-Heini Gasser hatte im Kantonsrat die frohe Nachricht überbracht, dass sich die Nagra aus geologischer Sicht nun eher für Granit- und Molasse-Gebiete interessiere und weniger für Anhydrit-Formationen wie im Gebiet Glaubenbielen. Deshalb sehe man von Sondierbohrungen ab. Übrigens: Heute, über 40 Jahre später, verfügt die Schweiz noch immer nicht über ein geologisches Tiefenlager. Die radioaktiven Abfälle sind in grossen Hallen im Zwischenlager Würenlingen untergebracht. Für ein Tiefenlager sind derzeit drei Regionen im Gespräch: Zürcher Unterland, Zürcher Weinland und Jura Ost (Bözberg). Wie Nagra-Mediensprecher Patrick Studer auf Anfrage sagt, wird die Nagra voraussichtlich in einem Jahr einen Vorschlag unterbreiten, welcher der drei möglichen Standorte sich am ehesten eignen würde. (ve) Oben Julian Dilliers Betruf im «Nebelspalter», unten eine Karikatur dazu in der Tageszeitung LNN.

Archiv Aktuell Obwalden