Aufrufe
vor 2 Jahren

33-2021 Aktuell Obwalden

  • Text
  • Telefon
  • Sarnen
  • Lehrzeit
  • Obwalden
  • August
  • Sachseln
  • Alpnach
  • Stellen
  • September
  • Kerns
  • Www.aktuell.com
Aktuell Obwalden Gratis jede Woche in alle Haushaltungen von Obwalden. Immobilien, Veranstaltungen und Stellenmarkt.

Das Kurhaus Friedenfels

Das Kurhaus Friedenfels mit riesigem Garten. als «grobfahrlässige Methode» bezeichnen müsse. Zudem habe Rammelmeyer seinem Patienten die Nützlichkeit einer Diätkur «mit Wort und Schrift dermassen einsuggeriert», dass Broger stetsHoffnungschöpfte. Rammelmeyer hielt entgegen, dass sich Albert Brogers Gesundheitszustand während des Kuraufenthalts in Wilen massiv gebessert habe. Erst danach habe Broger sich durch eine unvernünftige Lebensweise wieder selbstins Elend geritten.Zudem, so Rammelmeyer, sei es unpassend, dass man Ärzte der Schulmedizin als Experten hinzuziehe, um den Fall einzuschätzen. Solche Ärzte stünden der Naturheilkunde feindlich gegenüber undwürden nicht objektiv urteilen. Doch sowohl das Obwaldner Kantonsgericht wie später auch das Obergericht liessen Rammelmeyers Argumente nicht gelten und hiessen Brogers Klage gut. Allerdings seien die geforderten 30 000 Franken des Guten zu viel. 5000 Franken als Schadensersatz für Broger müssen reichen, urteilte das Obergericht. Interessantes Detail: Brogers Anwalt war kein Geringerer als der spätereRegierungsrat und Ständerat Walter Amstalden. Dieser hatte 1908, kurz nach seinem Studium, als 25-Jähriger eine Anwaltskanzlei in Sarnen eröffnet. Otto Rammelmeyer hatte einen Anwalt aus Luzern engagiert. Und dieser konnte sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Sein Klient hatte nämlich noch weitere Gerichtsverfahren am Hals. Neben dem bereits erwähnten verstorbenen Studenten –erlitt vermutlich an Tuberkulose, bevor ihm die Rohkost den Rest gab –musste Rammelmeyer auch wegen einer Frau namens Anna Marossy vor Gericht. Diese hatte sich, im fünften Monat schwanger, zueiner Kur im «Friedenfels» angemeldet. Auch sie musste hungern. Als sie hohes Fieber bekam, rief Rammelmeyer nicht etwa einen Arzt, sondern beruhigtedie arme Frau mit seiner eigenen Theorie: Das hohe Fieber sei ein gutes Zeichen dafür,dass sich der Körper entgifte. Totgeburt, Spital, Gerichtsfall Noch während ihres Aufenthalts im «Friedenfels» brachte Anna Marossy ihr Kind tot zur Welt und musste danach ins Spital in Sarnen gebracht werden. Auch sie zog mit Anwalt Walter Amstalden vorGericht gegen Rammelmeyerund erhielt Recht. 7000 Franken musste Rammelmeyer zahlen. Erneut hatte er sich über ärztliche Anordnungen hinweggesetzt. Offenbar wäre es ihm zu diesem Zeitpunkt bereits gerichtlich untersagt gewesen, weiterhin als «Mediziner» Ausden Gerichtsakten im Staatsarchiv: Rammelmeyers seltsame «Gastheorie» rund um Rohkost.

Martha Rammelmeyerlas aus «interessanten Büchern» vor. (Inserat im «Volksfreund» 1907) im Kurhaus Friedenfels tätig zu sein. Erstaunlich ist überdies, dass vonall dem kein Sterbenswörtchen in der lokalen Presse stand. Eine überraschend hohe Medienpräsenz im «Volksfreund» hatte seine Ehefrau Martha unter anderem als Autorin eines vegetarischen Kochbuchs und als Vorleserin (siehe Inserat oben). Über den «Hausherrn» Otto Rammelmeyer erfuhr die Öffentlichkeit dagegen wenig. Dabei hatte er sich in der alternativen Szene einen Namen gemacht und zog Gäste an, die ebenfalls einen kleinen Sprung in der Schüssel hatten. So berichtet etwa Ida Hofmann1906 in ihren Lebenserinnerungen von einem Kurzbesuch im«Friedenfels» gemeinsam mit ihrem Mann Henri Oedenkoven. Biologisch, bärtig und blutt:Ackerbau in der Siedlung Monte Verità im Tessin. (Bild: Ullstein-Verlag) Hofmann und Oedenkoven waren Mitbegründer des alternativen Siedlungsprojektes «Monte Verità» im Tessin(Bild). Siegehörten der Reformbewegung an–sozusagen die Avantgarde der späteren Alternativmediziner und Hippies. Nicht schlecht staunten sie im «Friedenfels», als Otto Rammelmeyer die Hand von Henri Oedenkoven inspizierte und ihm dann vorwarf, er glaubenicht an Gott... Die Nachkommen brachten es weit Mehr Erfolg beschieden war dagegen den Nachkommen von Otto und Martha Rammelmeyer-Schönlin. Otto junior und später dessen Sohn Karl führten in Wilen und im Dorf Sarnen erfolgreich ein Geschäft für den Vertrieb und Verkauf von Gemüse und Obst. Deshalb ist der Name «Rammelmeyer» vielen Obwaldnern bis heute ein Begriff. Otto amtete unter anderem als Obwaldner Gerichtspräsident, Karl sass als Bauchef im Sarner Gemeinderat. Bekannt war auch Rudolf Rammelmeyer (1897-1979). Er studierte tatsächlich Medizin und gab dem «Friedenfels» ab den 1920er-Jahren einseriöses Gesicht. Als Präsident des Kur- und Verkehrsvereins und als langjähriger Kantonsarzt genoss erhohes AnseheninObwalden. Eine vonRudolfs drei Töchtern, Maja Durrer-Rammelmeyer, verstarbimvergangenen Novemberim«Schärme» in Sarnen. Sie war verheiratet mit dem früheren liberalen Kantonsrat Otto Durrer. Und mit diesem Otto Durrer öffnen wir bald einweiteresspannendesKapitel... (ve)

Archiv Aktuell Obwalden