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30-2021 Aktuell Obwalden

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AKTUELL PERSÖNLICH So

AKTUELL PERSÖNLICH So läuft man doch nicht rum! Wenn die Sonne untergeht, geht sein Herz auf. Woandere erschaudern, grinst er dem Abgrund entgegen. Kurz vorseiner Pension stellt Dave Schmid klar, dass er so bleibt, wie er ist. Das ist eine gute Nachricht. Normale Menschen haben ihre wilden Jahreinder Pubertät. Nach und nach folgt dann das Eingliedern in die konforme Gesellschaft –ein Leben, in dem man regelmässig zum Coiffeur geht, die Jeansjacke und das Totenkopf-T-Shirt längst zur Altkleidersammlung gegeben hat und mit gebügeltem Hemd und geputzten Schuhen brav zur Arbeit erscheint. Dave Schmid aus Sarnen gehört nicht zu diesen Menschen. Er ist abnormal. Und zwar massiv. Auch im Alter von 65Jahren hat er allerdings nicht die geringsteAbsicht,das zu ändern. Noch nicht reif für den Ruhestand Ende dieses Jahres geht er ins Pension. 37 Jahre lang hat Dave Schmid bei der Maxon in Sachseln als Messebauer gearbeitet. Gerne hätte er noch einige Jahre angehängt, doch das Unternehmen schlug sein Angebot aus. Gebügelte Hemden und geputzte Schuhe geniessen halt – heute erst recht –einen hohen Stellenwert inder Marketingabteilung eines internationalen Konzerns. «Schade. Ich fühle mich eigentlich noch nicht reif für die Pensionierung», sagt er.Man glaubt es ihm aufs Wort. In Zürichaufgewachsen und als Dekorations- und Grafikgestalter ausgebildet, zog er 1984 mitseiner jungen Familie nach Sarnen. Unverhofft und ziemlich kurzfristig erhielt er damals die Stelle bei der Maxon, nachdem er einige Jahre inSchweden und später im Tessin gelebt und gearbeitet hatte. Durch sein offenes Naturell fasste er rasch Fuss in Obwalden. In lebhafter Erinnerung ist er auch ehemaligen Handballern des TV Sarnen. Als Trainer und Goalie leistete Dave Schmid viel Aufbauarbeit für die Sarner Handballzunft. Alles oder nichts –solautete seine Devise auch im Sport. Halbbatzige Leistungen quittierte er mit lauten Worten. «Ich war manchmal eine Wildsau», meint er grinsend. War? «Okay. Ich bin es noch immer.» Einen American-Football-Verein hat er in den 90er-Jahren auch noch aufgebaut. Später,als die Gelenke nicht mehr ganz so geschmiert waren, widmete er sich dem Bogenschiessen. Mit Geissengestank zurLiebe des Lebens Unverhofft eine Wendunggenommen hatte Dave Schmids Leben schon viel früher an einem Englischkurs in Zürich. Als erzum wiederholten Male zu spät in denKurskam und seine vom Regen durchnässte Lammfelljacke einfach auf den Boden warf, fand eine andere Kursteilnehmerin diesgar nicht lustig. «Sie schaute mich böse an und sagte, meine Jackestinkenach Geissen.» Bald darauf heirateten die beiden. Heute haben Dave und Irene Schmid vier Grosskinder. Und dann istdaeben die Musik, die ihn seit seinen Jugendjahren begleitet. Dave Schmid spielt Keyboardund Gitarre. Gemeinsam mit seiner Obwaldner Band «Lady Death» hat er kürzlich das dritte Album veröffentlicht

(Hörproben: www.ladydeath.ch). Wobei: Freunde der gepflegten Unterhaltung würden sich wohl hüten, hier das Wort Musik inden Mund zunehmen. «Dark Metal» nennt sich die Stilrichtung der Band –eine düstereFormdes Hard Rock, wo der Gesang mitunter in ein Schreien, Grunzen und Röcheln abdriftet und wo Totenschädel, Teufelszeug und Tattoos zur Grundausstattung gehören. Musik also, bei der sich normale Menschen im Pensionsalter bekreuzigen und das Weitesuchen. Aber eben: Dave Schmid zählt nicht zu den Normalen. «Ich mag die nordisch-düstere Stimmung.» Deshalb ziehe es ihn auf seinen Reisen immer wiedernach Skandinavien. Je später die Sonne aufgeht und je eher sie hinterdem Horizont verschwindet, destowohler ist es ihm. Dave Schmids Freunde wissen zwar, wie gross sein Herz ist. Nur:Wer mit 65Jahrennoch immer rumläuft wie ein Grobian aus einem Gangsterfilm und auf gebügelte Hemden verzichtet, sieht sich stets mit Vorurteilen konfrontiert. Ein früherer Chef sagte kürzlich zuihm: «Dave, du hättest es im Beruf viel weiter gebracht, wenn du normal aussehen würdest.» Dave Schmid weiss selbst haargenau, dass sein Erscheinungsbild und seine direkte Art ihm den Weg in gepützelte Chefetagen versperrten. Ist ihm aber egal. «Der Weg des geringsten Widerstands hat michnie interessiert.» Was ihn ebenfalls nicht interessiert: ein durchgeplantes Leben. Wasnachseiner Pensionierung folgt, wissen höchstens die dunklen Götter, die er in seinen Liedern besingt. Klar isteinzigdies: Dave bleibt Dave. Ein äusserlich ungehobelter Grobian. Und einer, der für Menschen in Not sein letztes Hemd hergeben würde. Ungebügelt,versteht sich. (ve)

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