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Aktuell Obwalden 38-2017

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Gemeinderubrik Giswil

Gemeinderubrik Giswil Äs isch nid alls wahrund nid alls nyd So heisst der Untertitel der 1988 erschienenen Tonbandkassette «Äs Nätschi –Obwaldnerdytschi Gschichte mit Sagen und Geschichten aus Giswil» von Hanspeter Niederberger, der als Volkskundler, Sagensammler und Autor Pionierarbeit leistete. Es ist ihm gelungen,indie Welt der Volksfrömmigkeit vorzudringen, von der die meisten gar nicht mehr wissen, dassessie gab und in beschränktem Masse heute nochgibt. Hanspeter Niederberger, 1952 geboren, wächst als Bauernbub mit acht Geschwistern im Ober Lätten inDallenwil auf. Als Kind ist er manchmal bei seinem Onkel Werner aufder Alp Arni-Stalden, oberhalb Engelberg. Das Vieh der Familie Niederberger ist dort zAlp. Werner ruft allabendlich den Betruf, erzählt Hanspeter von unerlösten Armen Seelen, zeigt ihm die Muttergottes-Tanne mit dem Bruder-Klausen-Bildnis. 1974, nach Abschluss seiner Ausbildung am Lehrerseminar Luzern, reist er mit seiner Frau Praxedis nach Indien, Sri Lanka, Nepal, Thailand, Bali. 1980 kaufen Hanspeter und Präxi Niederberger das Bauernhaus Kapellmatt im Kleinteil-Giswil und reisen ein halbes Jahr in Peru. Eine Reise, die das Leben von Hanspeter Niederberger prägen wird. In der Wüste von Nazca entdecken sie die berühmten Scharrlinien, schnurgerade, kilometerlange Zeichnungen von Menschen und Tieren, besuchen die Deutsche Maria Reiche, die seit 1941 die Linien erforscht und vermisst – ihre Luftaufnahmen sind weltberühmt. Besonders beeindruckt ist Niederberger vom Reichtum der peruanischen Volksfrömmigkeit. In den Abwehrzeichen, Amuletten, Votivtafeln, der Heiligen- und Muttergottesverehrung und den religiösen Festen der indigenen Bevölkerung erkennt er Parallelen zur Innerschweiz. «Hampihat michgefragt, warum wir in Peru vom Reichtum der Volksfrömmigkeit überwältigt sind, während sie in der Schweizkaum beachtet wird», erinnert sich seine Frau Präxi. Zurück in Giswil beginnt Hanspeter Niederberger zu forschen: Orte und Menschen in unmittelbarer Nähe werden ihm zur Quelle zahlreicher Geschichten und Sagen. Auch der unheimliche Lauibach, Ort der grössten Hexenverfolgung der Schweiz, fasziniert Niederberger. Hanspeter und Praxedis Niederberger teilen sich die Betreuung ihrer fünf Kinder und unterrichten in 50-Prozent-Pensen an der Primarschule Giswil. Zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern gestalten sie den Stationenweg zur 1522 gebauten, sagenumwobenen Sakramentskapelle. 1984 erscheint zum 100-Jahr-Jubiläum der Giswiler Älplerbruderschaft das Buch «Giswiler Sagen», illustriert mit Zeichnungen ihrer Schulklasse. Beim Sagen und Geschichtensammeln stösst Niederbergerzunächst aufWiderstand. DieKontaktpersonen reagieren aus religiösen Gründen ängstlich oder misstrauisch, weil sie fürchten, als Spinner zu gelten. Mit dem Buch «Giswiler Sagen» wird Hanspeter Niederberger in Obwalden bekannt als einer, derGeschichten sammelt. Niederberger ist eng mit dem vom Kirchenjahr geprägten Brauchtum verbunden. Für die Älplerchilbi Giswil dichtet er mit seiner Frau Präxi Älplersprich, an Weihnachten steht jeweils die alte Krippe der Kleinteiler Sankt-Antonius-Kapelle in der Stube. Die Lärmbräuche des Samiglaistrinklä faszinieren ihn ebenso wie die Fasnacht. Für den Palmsonntag bindet ermit seinen Schülerinnen und Schülern das Siebnerlei. «Im Sommer waren wir mit den Kindern oftauf der Alp Chäseren ob Sarnen oder unternahmen Wanderungen zuGiswiler Alpen», erinnert sich Praxedis Niederberger. «In Hörweite der Hütte packte Hampi jeweils sein Alphorn aus und spielte. Bei einem Cheli, einem Kaffee mit Zucker und Schnaps, fingen die Älpler an zu erzählen…» Hanspeter Niederberger ist auch ein talentierter Handwerker: Fürseine Kinder baut er Spielzeuge, wie ein Windspielmit Alphornbläsern und Fahnenschwingern oder eine kleine Motorsäge aus Holz mit Tricouni-Nägeln als Kette. Er vertieft sich inFachliteratur, ist in Kontakt mit dem Mythenforscher Sergius Golowin, sammelt Sagenbücher aus der ganzen Schweiz und sucht nach magischen Objekten. In den Sagen findet er die Verwendung der magischen Gegenstände in den Geschichten über Toggeli, Dämonen und Arme Seelen. Unermüdlich ist Hanspeter Niederberger auf der Suche: wenn ein altes Bauernhaus abgebrochen wird, sucht er nach Verpflöckungen, Gemeinderubrik Giswil

Hanspeter Niederberger Christof Hirtler «Dabei ist kaum bekannt, dass sich auch bei uns, trotz Aufklärung und des unermüdlichen Kampfes der Kirche gegen Aberglauben, solche Rituale bis in die Neuzeit retten konnten. Dem magischen Denken im Volksglauben begegnen wir auf verschiedenen Ebenen: In Sagen und im Brauchtum lassen sich solche Spuren erkennen.» Nachdem Hanspeter Niederberger die letzten Seiten des Buches «Geister, Bann und Herrgottswinkel» gelesen und korrigiert hat, reist er mit seiner Familie am30. September 2000 in die Ferien. Die Vernissage seines Buches hat er nicht mehr erlebt. Christof Hirtler Faustförmiger Türknauf ausEichenholzander Aussenseite der Stubentür, Kapellmatt, Giswil. Die abwehrende Hand ist die ein -fachste und natürlichste Abwehrgeste. Viele antike Amulette zeigen die geballte Faust. Sie isteineDrohung an die Dämonen. Amuletten oder Kultgegenständen. Er ist beteiligt an mehreren Büchern und Publikationen, porträtiert u.a.den Maler und Weltenerfinder Beda Durrer. Geri Dillier, Hörspielregisseur Radio SRF, liest seine Texte, fördert ihn und führt Regie bei den Tonträgern «Äs Nätschi» und «Schatzgräber – Sagen um den Wellenberg». Geri Dillier erinnert sich: «Für den Mundartforscher und Radiomann Christian Schmid gehört Hanspeter Niederberger zu den wichtigsten Sagensammlern und zu den stärksten Sagenerzählern der Schweiz. Erhat mit ihm mehrereSchnabelweid-Sendungen gestaltet.» 1999 lagern nach 20-jähriger Forschungstätigkeit kistenweise magische Objekte, stapeln sich Ordner, Fachliteratur und Sagenbücher bei Hanspeter Niederberger. Ich darf ihn bei seinem neuesten Buchprojekt als Fotograf begleiten. Es trägt den Titel «Geister, Bann und Herrgottswinkel» –ein fotografisches Geschichtenbuch über die Magie unserer Vorfahren. Wir treffen uns in seinem Haus am runden Tisch inder Küche. Hampi zeigt mir Bilder von Geisterzimmern, erklärt mir die Bedeutung des «Siebnerlei» und holt zahlreiche Gegenstände wie das «Toggelikreuz», Rosenkränze und Amulette aus grauen Transportkisten. Ich bin fasziniert. Hampi erklärt mir seine Idee: Ausgehend von realen magischen Gegenständen, will er deren Bedeutung und Verwendung erklären und mit den entsprechenden Sagen belegen. Er will zudem aufzeigen, dass magische Rituale und Praktiken nicht nur in Asien, Südamerika oder Afrika gelebt werden. Inseinem Konzept zum Buch schreibt er: Eine Sage dieman sich,nicht nur, in Giswil erzählt AlsBub hatteich immerdie ganzeHandund alle Finger voll Warzen. Alles, was der Arzt machte, half nichts, im Gegenteil. Mein Vater ging zueinem Mann und fragte um Rat. Als erzurückkam, sagte er:«DieWarzenhast du nicht mehr lange.» Am SonntagnahmmichmeinVater mit.Wir gingen in den Wald. Irgendwo, ganz abseits, musste ich den Schuhbändel aus einem Schuh herauslösen. Wir machten so viele Knoten in den Bändel, wie ich Warzen hatte. Nun musste ich den verknotetenBändelaneinem Ortverstecken, wo ihn niemand finden konnte. Alles war kurios und ich dachte, mein Vater sei nicht mehr ganz im Kopf. Ich glaubte überhaupt nicht an einen Erfolg. Nach einigerZeitsah ichplötzlich, dass ichkeine Warzen mehr hatte. Ich meinte zu spinnen, aber sie waren weg. (mitgeteilt vonB.R., Giswil,1999) Foto Titelseite: Hanspeter Niederberger (1952–2000) Sagenforscher, Autor, Lehrer und Hausmann, Giswil / Kleinteil. Autor des Buches «Geister, Bann und Herrgottswinkel». Auszüge aus der Neuauflage «Geister,Bannund Herrgottswinkel» von Hanspeter Niederberger & Christof Hirtler, erschienen im bildfluss-Verlag. Erhältlich bei bildfluss Bücher Dillier, Sarnen. DieSonderausstellung «Sagen, Mythenund Legenden in Obwalden» im Historischen Museum Obwalden ist bis 30. November jeweils von Mittwoch bis Sonntag 14 –17Uhr geöffnet. www.museum-obwalden.ch Geister, Bann und Herrgottswinkel Gemeinderubrik Giswil

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